Beobachtung ist ein zentrales Instrument in der pädagogischen Arbeit – insbesondere in der Frühpädagogik. Sie ermöglicht es Fachkräften, Kinder in ihrer Individualität wahrzunehmen, Entwicklungsverläufe nachzuvollziehen und gezielt zu fördern. Für (angehende) Pädagoginnen und Pädagogen ist es daher unerlässlich, verschiedene Beobachtungsformen zu kennen, um professionell, reflektiert und situationsangemessen handeln zu können. Die Wahl der passenden Methode hängt dabei von Ziel, Situation und Kontext ab. Im Folgenden werden sechs gängige Beobachtungsformen vorgestellt – praxisnah und mit Beispielen aus dem Kita-Alltag.


Warum Beobachtung in der Kita so wichtig ist

Beobachtung ist weit mehr als das bloße Zuschauen. Sie ist ein professionelles Handwerkszeug, das dir dabei hilft:

  • Entwicklungsverläufe zu verstehen,
  • Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen,
  • Bildungsangebote gezielt zu gestalten,
  • und deine eigene pädagogische Haltung zu reflektieren.

Nur durch regelmäßige und systematische Beobachtung lassen sich individuelle Bildungsprozesse erkennen und dokumentieren. So wird aus Beobachtung gelebte Beziehungsgestaltung.

1. Freie Beobachtung (offene Beobachtung)

  • Beschreibung: Spontane, nicht standardisierte Beobachtung ohne festgelegtes Ziel.
  • Zweck: Erste Eindrücke sammeln, Alltagsverhalten erkennen.
  • Vorteil: Flexibel, praxisnah.
  • Nachteil: Subjektive Verzerrung möglich.

Beispiel: Beim Morgenkreis fällt auf, dass ein Kind häufig verträumt aus dem Fenster schaut. Die Erzieherin notiert sich dies und beobachtet es über mehrere Tage hinweg weiter.


2. Gezielte Beobachtung

  • Beschreibung: Beobachtung mit einem bestimmten Fokus (z. B. Sprache, Sozialverhalten).
  • Zweck: Entwicklungsfragen klären oder konkrete Situationen erfassen.
  • Vorteil: Zielgerichtet, gut dokumentierbar.
  • Nachteil: Kann andere relevante Aspekte übersehen.

Beispiel: Ein Kind spricht im Freispiel kaum. Die Erzieherin beobachtet gezielt über eine Woche die Sprachaktivitäten in verschiedenen Spielsituationen (drinnen/draußen, alleine/in Gruppen).


3. Teilnehmende Beobachtung

  • Beschreibung: Die Fachkraft ist aktiv im Geschehen involviert.
  • Zweck: Nähe zum Kind aufrechterhalten, Verhalten im natürlichen Kontext erfassen.
  • Vorteil: Alltagstauglich, kindzentriert.
  • Nachteil: Objektivität kann eingeschränkt sein.

Beispiel: Beim Rollenspiel „Einkaufen“ spielt die Erzieherin als Kundin mit. Dabei beobachtet sie, wie ein Kind Preise nennt, höflich kommuniziert und Rollen übernimmt.


4. Nicht-teilnehmende Beobachtung

  • Beschreibung: Die Erzieherin bleibt im Hintergrund und greift nicht ein.
  • Zweck: Unverfälschte Verhaltensweisen dokumentieren.
  • Vorteil: Mehr Objektivität.
  • Nachteil: Eingeschränkte Nähe, manche Situationen bleiben verborgen.

Beispiel: Während einer Bauecke-Zeit sitzt die Erzieherin mit etwas Abstand und beobachtet still, wie die Kinder Konflikte beim Turmbauen lösen und wer welche Aufgaben übernimmt.


5. Strukturierte Beobachtung / Standardisierte Verfahren

  • Beschreibung: Nutzung vorgegebener Beobachtungsbögen oder Skalen (z. B. „Grenzsteine der Entwicklung“, PERIK, Sismik/Seldak).
  • Zweck: Vergleichbarkeit, gezielte Entwicklungsdokumentation.
  • Vorteil: Wissenschaftlich fundiert, systematisch.
  • Nachteil: Weniger flexibel, manchmal zeitaufwändig.

Beispiel: Mit dem Beobachtungsbogen „PERIK“ dokumentiert die Erzieherin gezielt die Selbstkompetenz eines Kindes (z. B. Frustrationstoleranz, Selbstständigkeit bei Aufgaben).


6. Narrative Beobachtung (Anecdotal Record)

  • Beschreibung: Freie Beschreibung einer konkreten Beobachtungssituation in Textform.
  • Zweck: Verhaltensweisen und Entwicklung nachvollziehbar dokumentieren.
  • Vorteil: Detailliert, eignet sich für Entwicklungsgespräche.
  • Nachteil: Zeitintensiv, erfordert Reflexion.

Beispiel: „Heute um 10:15 Uhr in der Bauecke: Max (4) baut einen Tunnel. Als dieser einstürzt, ruft er ‚Oh nein!‘, schüttelt kurz den Kopf und beginnt sofort mit dem Wiederaufbau. Nach etwa zwei Minuten sagt er: ‚Jetzt ist er stabiler.‘ – keine Hilfe durch Erwachsene oder andere Kinder.“

Welche Beobachtungsform passt wann?

Welche Beobachtungsmethode angewendet wird, hängt vom Ziel der Beobachtung und der Alltagssituation ab. Oft ist eine Kombination sinnvoll: So kann z. B. eine freie Beobachtung erste Hinweise geben, die dann in eine gezielte oder strukturierte Beobachtung überführt wird. Auch der Austausch im Team über Beobachtungen ist entscheidend für eine ganzheitliche Wahrnehmung.

Fazit: Beobachtung als professionelles Handwerkszeug

Beobachten ist weit mehr als ein pädagogisches Pflichtprogramm – es ist eine bewusste Haltung. Wer aufmerksam und differenziert beobachtet, kann Kinder in ihrer Individualität erkennen, ressourcenorientiert begleiten und gezielte Bildungsimpulse setzen. Die Wahl der passenden Beobachtungsform unterstützt (angehende) Pädagoginnen und Pädagogen dabei, professionell zu handeln und eine lernfreudige, wertschätzende Umgebung zu gestalten.