Als ich an meinem ersten Tag in der „Sonnenkäfergruppe“ ankam, war ich vor allem eins: müde und neugierig. Müde, weil die Gedanken an all die bisherigen Einsätze in der Nacht Karussell gefahren waren. Neugierig, weil ich nicht wusste, was mich erwarten würde – neue Kolleginnen, neue Abläufe, neue Kinder. Und dann kam auch noch die Überraschung: „Sie sind in der Krippe eingeteilt.“
Eigentlich war das nicht mein Wunschbereich. Doch es war ja nur für zwei Wochen, also atmete ich tief durch, lächelte und sagte: „Gut, dann machen wir das so.“
Woche 1 – Ankommen zwischen Bällen, Brei und Bauchgefühlen
Die Gruppe war klein: fünf Kinder am ersten Tag, später kamen zwei Eingewöhnungskinder hinzu. Birte, die stellvertretende Leitung und Gruppenerzieherin, begrüßte mich freundlich, erklärte kurz die Abläufe – und behandelte mich von Anfang an als Teil des Teams. Diese Selbstverständlichkeit tat gut.
Rosie, die zweite Fachkraft, war zurückhaltender, fast kühl. Sie sprach kaum mit mir, bezog mich in Gespräche nicht ein. Ich nahm es nicht persönlich – schließlich wusste ich, dass sie nach längerer Krankheit erst wieder im Wiedereingliederungsprozess war. Trotzdem: Es hinterließ ein kühles Gefühl im Raum.
Die Kinder aber, die hatten mich schnell auf dem Schirm. Schon am zweiten Tag setzte ich mich an den Tisch, legte Papier und Stifte hin – prompt kamen kleine Hände, die malen wollten. Später griffen sie zu Pinseln und Fingerfarben. Ich war nicht nur „die Neue“, sondern „die mit den bunten Händen“. Während ich mit den Kindern malte, konnten die Kolleginnen sich intensiv um die Eingewöhnungskinder kümmern. Am Ende des Vormittags lobte mich die Gruppenleitung: „Das war super, die Kinder waren richtig bei dir.“
Diese Anerkennung gab mir Sicherheit – und zeigte mir, wie wertvoll kleine Initiativen sein können.
Beobachtungen – kleine Signale, große Bedeutung
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir ein Junge – nennen wir ihn „Jonas“. Jonas war ständig in Bewegung, zog ein Spielzeug nach dem anderen aus den Regalen, ohne länger als ein paar Sekunden bei etwas zu bleiben. Beim Essen schob er den Teller sofort weg, aß nur trockene Brötchen oder Rosinen. Wickelsituationen waren für ihn angespannt, er lag wie ein Brett.
Es dauerte nicht lange, bis ich ahnte: Jonas kämpft mit seiner Körperwahrnehmung. Nicht, weil er nicht wollte, sondern weil er offenbar vieles nicht so spürte, wie andere Kinder es tun. Mein Auftrag in diesen zwei Wochen war klar: ihn nicht zu drängen, sondern Sicherheit zu geben. Ruhige Worte, klare Berührungen, kleine Spielangebote ohne Erwartungsdruck – das waren meine Schlüssel.
Woche 2 – mehr Gesichter, mehr Leichtigkeit
In der zweiten Woche kam Finja aus dem Urlaub zurück. Herzlich, sehr gesprächig – und mit einem großen Mitteilungsbedürfnis. Ich hörte viel, sagte wenig, und merkte schnell: Hier geht es nicht darum, eigene Geschichten zu platzieren, sondern präsent zu bleiben und zuzuhören. Die 19-jährige Praktikantin Maren war dagegen erfrischend offen, half unkompliziert mit und brachte Leichtigkeit ins Team.
Selbst Rosie taute in dieser Woche auf. Ein paar kleine Bemerkungen, ein Dank hier, ein Lächeln dort – und die Atmosphäre wurde spürbar wärmer.
Ich selbst spürte, wie mein innerer Druck nachließ. Ich musste nichts beweisen, nur präsent sein und das tun, was ich am besten kann: beobachten, begleiten, Impulse setzen.
Kleine Impulse, große Wirkung
Eines Morgens stellte ich einfach die Verkleidungskiste in die Mitte des Raumes. Ich sagte nichts. Kaum war der Deckel offen, kamen die Kinder. Ein Feuerwehrhelm, ein Tuch, ein Hut – und schon war die Gruppe in Bewegung.
Ein anderes Mal puzzelte ich mit Paul, einem der Eingewöhnungskinder. Beim Hasen sang ich leise „Häschen hüpf“, beim Schwein grunzte ich. Paul sah mich an – und lächelte. So ein echtes, strahlendes Lächeln, das nur Kinder hinbekommen. Es war einer dieser Momente, in denen ich dachte: Genau deswegen liebe ich diesen Beruf.
Auch die „Reismuschel“ war so ein kleines Highlight. Eigentlich wollte ich nur mal schauen, was in diesem Becken steckt – und plötzlich saßen die Kinder begeistert mit Löffeln, Bechern und Flaschen drumherum. Es wurde geschüttet, gefüllt, gekippt – und natürlich auch ein bisschen gefegt. Aber die Freude in den Gesichtern hat das locker wettgemacht.
Zwischen Alltag und Erkenntnis
Nicht jeder Tag war spannend. Manchmal waren wir viele Erwachsene bei wenigen Kindern – das machte den Vormittag zäh. Aber auch in solchen Momenten habe ich versucht, präsent zu bleiben.
Es gab ruhige Vormittage im Garten, Gespräche bei einer Tasse Kaffee, lange Schlafphasen der Kinder, in denen ich in den Portfolios geblättert habe. Und es gab Tage, an denen ich müde war, mit Halsschmerzen kämpfte, und einfach nur froh war, wenn Feierabend war. Aber auch diese Tage gehören dazu.
Ein runder Abschluss
Am letzten Tag durfte ich sogar den Schlafdienst mit übernehmen – eine neue Erfahrung, die den Abschluss noch einmal besonders machte. Rosie war krank, Birte musste früh gehen, und so verbrachte ich den Nachmittag mit Finja, der Praktikantin Maren und vier entspannten Kindern.
Zum Abschied hatte ich einen selbstgebackenen Apfelkuchen dabei. Die Kolleginnen haben sich gefreut, die Kinder durften ein kleines Stück knabbern – und die Stimmung war angenehm leicht.
Bevor ich ging, gab es ein paar warme Worte: Birte meinte, sie könnte sich gut vorstellen, noch einmal mit mir zusammenzuarbeiten. Auch die Leitung bedankte sich herzlich für meine Unterstützung und meinte, vielleicht würde man sich wiedersehen. Mit einem leichten Herzen und einem Lächeln auf den Lippen habe ich mich verabschiedet.
Mein Fazit nach zwei Wochen
Die Zeit in der „Sonnenkäfergruppe“ hat mich wieder daran erinnert, wie wertvoll es ist, kleine Schritte zu sehen und zu würdigen.
- Es braucht keine großen Projekte, um etwas zu bewirken.
- Ein freundliches Wort, ein offenes Ohr, ein kleines Angebot am Tisch – oft reicht genau das, um Bindung aufzubauen.
- Teams sind so verschieden wie die Kinder – und oft hilft es, einfach erstmal zuzuhören und mitzugehen.
Als ich am Parkplatz stand, den leeren Kuchenbehälter in der Hand, dachte ich: Es waren nur zwei Wochen, aber sie waren bunt, lehrreich, lustig – und sie werden mir in Erinnerung bleiben.